Als Ursprung für dieses entstellte Karl-Kraus-Zitat kommen zwei Aphorismen in Frage:
"Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können - das macht den Journalisten."
Karl Kraus: "Die Fackel" 281-282, 1909, 29
und
"Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können."
Karl Kraus: "Die Fackel" 697-705, 1925, 60
Die Verneinung im zweiten Satzteil raubt dem Aphorismus den intendierten Witz. Entstellte Zitate, die seit 1963 nachweisbar sind, findet man inzwischen fast zehnmal häufiger als das korrekte Zitat.
Einige Variationen:
"Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken."
"Es qenügt nicht, keine Meinung zu haben; man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken."
"Es qenügt nicht, keine Idee zu haben; man muß auch unfähig sein, sie umzusetzen."
_______
Quellen:
Google-Satistik für das entstellte Zitat: "Ungefähr 3 450 Ergebnisse "
Google-Statistik für das korrekte Zitat: "Ungefähr 450 Ergebnisse"
Karl Kraus: "Die Fackel" Nr. 281-282, 1909, S. 29
Karl Kraus: "Die Fackel" Nr. 697-705, 1925, S. 60
Süddeutsche Zeitung, 27. Oktober 2016: "Kabarett in Moosburg - Millers Stammel-Symphonie"
Henryk M. Broder: 27. März 2007, 30. Dezember 2008, 23. Januar 2013 etc.
Sönke Krüger: "Grassierender Sprachverfall", "Die WELT", 8. August 2007
Josef Kraus: "Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt: Und was Eltern jetzt wissen", 2017
Robert Sedlacek: "Entlarvt: Der falsche Karl Kraus", Wiener Zeitung, 9. Januar 2007